Kategorie-Archiv: Story

Einkaufen mit allen Sinnen

Mit dem Gutshof nach Straßbourg

Erlebnisse auf den Märkten im Elsass

Die französische Seite des Restaurants Gutshof wurzelt in der Liebesgeschichte zwischen Tante Léni und dem Soldat Louis Siegrist aus Frankreich. Sie machen nach der Hochzeit das Elsass zu ihrem gemeinsamen Lebensmittelpunkt. Zum Glück von Neffe Gunter, der hier immer wieder zu Besuch weilt und französische Lebensart inhaliert. Schmidt ist Gastronom in Kassel; womit wir wieder beim Gutshof sind und der außergewöhnlichen Affinität des Pächters zu unserem westlichen Nachbarn Frankreich. Eine Liebe, die ihre Wurzeln in der Kindheit hat. Gerade ist Schmidt von einer Einkaufstour ins Elsass zurückgekehrt. Nicht regelmäßig, aber immer wieder zieht es ihn zum Einkaufen dorthin. Falls man das überhaupt Einkaufstour nennen darf, wenn der Mann nach durchfahrener Nacht genussvoll am frühesten Morgen durch Hallen und über Verkaufsstände im Feinschmeckerparadies Marché Gare schleicht, Stunden zwischen Lebensmitteln verbringt; das sinnliche Erleben dieser Lebensmitteln genießt. Und sich wie ein Kind freuen kann, wenn er so etwas außergewöhnlich Gewöhnliches findet, wie „Möhren aus der Miete“. So wie man sie früher kannte, als die Möhren nach der Ernte bis zum Verbrauch in Sand eingeschlagen wurden. Ihr Geschmack schlägt den der orangefarbenen Brüder, die blitzsauber geschrubbt in der Gemüsekiste nebenan auf möglichst schnellen Verzehr warten, um Längen. Natürlich liefert kein landwirtschaftlicher Großbetrieb solch liebevoll im Sand versteckte Genüsse. Die Juwelen unter den Gemüseproduzenten sind für den Gastronom aus Nordhessen die kleinen, dennoch spezialisierten Betriebe. Hier schmeckt er die Liebe in den Produkten, mit der sie angebaut werden. Und wenn er dann auch noch auf einen Händler trifft, der zwar keine Zeit hat, sie sich aber trotzdem für einen Plausch und den Austausch von Freundlichkeiten nimmt, dann ist das Marktglück erst einmal komplett.

Zu riechen, zu tasten und zu fühlen, was gekauft oder auch nicht gekauft werden soll, das ist unverzichtbarer Teil seines Einkaufsvergnügens. Seien es nun die Kartoffelsorten, die in Hülle, Fülle und
Farbenvielfalt angeboten werden oder Pfirsiche, rot, weiß, flach oder rund oder Zwiebeln, lila, weiß und grün. Und erst die Tomaten! Hier übertrifft die Vielfalt nahezu alles. Und der Geschmack auch. Lieblich, herb, säuerlich, immer hocharomatisch – jede Mundprobe ein Genusserlebnis.

Für den Gutshof kann Schmidt das französische Käseangebot zwar nicht nutzen. Zu gewöhnungsbedürftig, der Rohmilchkäse mit seinem intensiven Geruch. Was ihn von einer ausführlichen Begutachtung nicht abhält. Er berauscht sich derweil am Duft. Ebenso an Geschmack, Krume und Geruch in Pauls Boulangerie, eine erste Adresse für die Liebhaber wunderbarer Backwaren in Straßburg.

Den Grund für das einzigartige Baguette hat Gunter Schmidt längst herausgefunden: Zeit. Der Teig hat Zeit zu gehen, wird nicht durch Triebmittel gejagt. Heraus kommt ein Baguette, das Gastronom und Gäste gleichermaßen zu schätzen wissen. Der Lieferwagen beginnt sich zu füllen. Allerdings muss noch Platz für den Fisch bleiben. Ganze Fische von hervorragender Qualität, wie Gunter Schmidt sie nur hier findet. Dazu Händler, deren Begeisterung für ihre Ware ansteckend ist. Schau her, der kapitale Hecht ist länger als ein Bein. Für die ganzen Fische wird Schmidt im Gutshof noch Überzeugungsarbeit leisten. Ein bisschen verrückt ist er schon, der Gutshofpächter. 1.000 Kilometer einmal Straßburg und zurück; den Stress braucht nicht jeder. Schmidt braucht ihn hin und wieder. Wie sonst soll er seine Elsässischen Wochen im Herbst möglichst authentisch anbieten? Viele kulinarische Eingebungen hat er von dieser Reise mitgebracht. Und nächstes Mal ist wieder das Wattwiller Wasser dran. Ein Tafelwasser aus dem gleichnamigen Ort im Herzen des Elsass, das nitrit- und nitratfrei ist, durch Eigendruck an die Oberfläche gelangt und sich insbesondere für salzarme Diät oder die Zubereitung von Baby- und Kindernahrung eignet. Gunter Schmidt holt den Vorrat für den Gutshof
schon immer persönlich ab („da bin ich durchaus gaga“). Die hohen Transportkosten zu sparen und einen Besuch im Land von Tante Léni zu machen, das wiegt die Strapazen allemal auf. Das berühmte Elsässische Sauerkraut, fein gehobelt und mit Riesling vergoren, kann dann auch wieder zugeladen werden.

Restaurant Gutshof
Wilhelmshöher Allee 347 A · 34131 Kassel
Telefon: +49 (0) 561 – 325 25 · Telefax: +49 (0) 561 – 93 21 50
www.restaurant-gutshof.de

Schluckspecht

Man schrieb das Jahr 1981. Was damals so alles passierte? Sängerin Britney Spears erblickte das Licht der Welt, ebenso ihr Kollege Milow. US-Präsident Ronald Reagan trat sein Amt an, während in Frankfurt der erste Marathonlauf über die Bühne ging. Und weiter nördlich? In der documenta-Metropole gründeten einige eher alternativ, studentisch geprägte Anhänger des Rebensaftes um Initiator Reinhard Riediger ihr eigenes Geschäft. Das bis zu sieben Köpfen zählende Kollektiv nannte seine Weinhandlung Schluckspecht.

„Cassel war Diaspora in Sachen Wein“

30 Jahre ist das nun her. „Die Gründung hatte nicht zuletzt damit zu tun, dass Kassel in Sachen Wein damals geradezu Diaspora war“, erinnert sich Geschäftsführer Christoph Becker, der vor 23 Jahren als Student der Wirtschaftswissenschaften ins Unternehmen eintrat. Die Idee dazu entstand im Rahmen eines Studienprojekts zur Stadt- und Landschaftsplanung bei einem Winzer im Kaiserstuhl. Mit einem ausrangierten Krankenwagen voller Wein kehrten die Gründer nach Nordhessen zurück und machten sich voller Enthusiasmus ans Werk. Mit Erfolg. Drei Jahrzehnte später zählt das Haus zu den führenden Händlern der Region.

Und das nach bescheidenen Anfängen. Den ehemaligen, 40 Quadratmeter kleinen Frisörsalon in der Pestalozzistraße 17 im Vorderen Westen renovierten Riediger und Co. und eröffneten am 22. August 1981 ihre eigenen Geschäftsräume. Nach dem Kaiserstuhl entstanden rasch weitere Kontakte. Das galt für den kurzen Draht in die Pfalz zum heute renommierten Weingut Hammel. Hochkarätige Partner in Franken, Württemberg, im Rheingau und in Bella Italia kamen hinzu – und reichten bis nach Frankreich. Diverse Kneipen und gastronomische Betriebe gehörten ebenso zu den Kunden wie die kulinarische Topadresse La Frasca. Dort war der heutige Geschäftsführer Dimitrios Kitsu tätig. 1999 wechselte er die Seiten, als die Schluckspecht-Gruppe vier Filialen umfasste. Wein war für den gebürtigen Griechen immer schon ein „ganz selbstverständliches Lebensmittel“.

„Schon mein Großvater hat Wein angebaut und Trester gebrannt“

erläutert der Mann mit dem ansteckend fröhlichen Lachen. In den zurückliegenden 30 Jahren hat sich nicht nur das Business, sondern auch der allgemeine Weingeschmack verändert. „Damals konnte der Säuregehalt nicht hoch genug sein. Heute ist eher Weicheres und Fruchtigeres gefragt“, konstatiert Becker.

Youngster lieben spritzigen Prosecco

Mit seinen 185 Quadratmetern Verkaufsfläche an der Wilhelmshöher Allee zählt der Kasseler Schluckspecht heute zu den 100 besten Weinhändlern Deutschlands. Mehr als 800 Weine offeriert das Team. Damit deckt es nahezu alle Richtungen ab. Und bietet noch mehr. „Von Delikatessen über Feinkost, Spirituosen und Cognac bis zum japanischen Kochmesser reicht unsere Palette“, macht Kitsu deutlich und verweist darauf, dass der Geschenk-Service sowie Dienstleistungen rund um Events immer wichtiger werden.

Die Nacht der 100 Rebsorten am 23. September verspricht einiges. „Unsere Gäste erhalten die Gelegenheit, 100 Weine aus 100 verschiedenen Rebsorten zum Preis von einem Euro pro Glas zu verkosten“, blickt Kitsu voraus. Diverse Aktionen begleiten das 30-Jährige, unter anderem gibt es auf 30 Weine 30 Prozent Rabatt.
Die demografische Entwicklung der Gesellschaft beobachten die Reben-Fachleute sorgfältig. Älteren Kunden kommen sie dadurch entgegen, dass sie die edlen Tropfen nach Hause liefern – und Leergut abholen. Darüber hinaus gilt es, das jüngere Publikum anzusprechen. Etwa mit dem spritzigen Dauerbrenner Prosecco oder fruchtbetonten Weißweinen, deren Aromen Maracuja, Ananas und Papaya betonen. „Gerade die spanische Verdejo-Rebsorte findet in dem Kontext immer mehr Anhänger unter den Youngstern“, erläutert Kitsu und erwähnt das Comeback des guten alten Lambruscos. Auch die jährlich sechs bis acht Weinproben in der Oberzwehrener Filiale, jeweils begleitet von 3-Gänge-Menus, bringen manchen Newcomer auf den Geschmack.
„Wir sehen den nächsten 30 Jahren optimistisch entgegen. Denn wir sind gut aufgestellt“, so Becker. So geht der eingangs erwähnte Sänger Milow, dem viele Musik- Fans eine glänzende Karriere voraussagen,
gemeinsam mit den Weinexperten aus dem Herzen Kassels in die vierte Dekade.
Rainer Lomen

Der Regierungspräsident

Beim Kochen wie in der Politik krempelt der Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke die Ärmel hoch.

Von Juliane Sattler

Vor allem ist er ein Landmensch. Einer, der die Region liebt, das dörfliche Leben, mit allem was dazu gehört: die freiwillige Feuerwehr, die Ehrenämter. Die Familie, sein Haus, das Dorf sind für ihn Rückzugsbereiche, weit genug weg von Kassel, um zu entspannen, abzuschalten. Auch die Küche gehört dazu. Schon als kleiner Junge hat er gekocht, die Mutter war viel krank, und er hat Kuchen gebacken, auch den Weihnachtsstollen. Hausarbeit ist für ihn auch Männersache. Weiterlesen