Nordhessen geschmackvoll! Auch die sechste Auflage im Oktober 2010 war wieder ein Riesenerfolg. Längst ist das Spezialitätenfestival zu der kulinarischen Top-Veranstaltung Nordhessens geworden. Und das liegt, davon sind wir Organisatoren von geschmackvoll e.V. überzeugt, am konsequent durchgesetzten Qualitätskonzept. Gut, sauber & fair, so sollen Lebensmittel nach unseren Vorstellungen sein. Wir, das sind die Mitglieder und Organisatoren des Vereins geschmackvoll! e. V.
Geschmack ist bildbar oder beliebig bescheissbar.
EssensArt Das Spezialitätenfestival „Nordhessen geschmackvoll!“ in Melsungen war auch in diesem 6. Jahr gut besucht. Allerdings war der Andrang geringer als in den Vorjahren. Ist Slowfood als Veranstalter (gemeinsam mit dem Verein „geschmackvoll“ e.V.) dennoch zufrieden?
Dr. Hanns Kniepkamp Bei „Nordhessen geschmackvoll!“ herrschte eine angenehme Fülle. Die Veranstaltung will nicht in erster Linie und ausschließlich das Publikum mit Kostproben versorgen. Wir sind ja kein Abklatsch der Grünen Woche in Berlin. Wir wollen mit den Produzenten von Nahrungsmitteln ins Gespräch kommen und wollen diese stärken.
EssensArt Ist das Spezialitätenfestival also gar keine Verbraucher sondern eher eine Erzeugermesse?
Dr. Hanns Kniepkamp Wir sprechen anstatt vom Verbraucher lieber vom Co-Produzenten. Verbrauchen heißt doch: kaufen – zu sich nehmen – weg. Co-Produzenten fragen dagegen gute Lebensmitteln nach. Dieses Kaufverhalten wollen wir unterstützen. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde: was nicht nachgefragt wird, wird auch nicht erzeugt. Produzenten und Co-Produzenten ziehen somit an einem Strang. Und die Co-Produzenten sollen in Melsungen Gelegenheit haben, die Hände derer zu sehen, die die Produkte erzeugen, anfassen, ausbuddeln. Lebensmittelfabriken können das nicht bieten.
EssensArt Bei „Nordhessen geschmackvoll“ fällt auf, dass es viele Aktionen für Kinder gibt. Ist das eine Art Programm für die Eltern, die dann ungestört kosten und kaufen können?
Dr. Hanns Kniepkamp Nein, das ist nicht unser Anliegen. Ich sag‘s mal drastisch: Geschmack ist bildbar oder beliebig bescheissbar. Wer also nichts Gutes schmeckt, weiß auch nicht, wie Gutes schmeckt. Wir wollen mit unseren Aktionen die Kunden und Co-Produzenten von morgen Gutes schmecken lassen. Das gelingt. Und deshalb müssen wir nicht verkrampft Besucher zählen, die wir selbstverständlich brauchen und über die wir uns freuen.
„Wer also nichts Gutes schmeckt, weiß auch nicht, wie Gutes schmeckt.“
EssensArt Das Convivium Nordhessen von Slowfood gibt es seit dem Jahr 2001. Was war die Initialzündung zur Gründung der Nordhessischen Tafelrunde, wie Convivium übersetzt werden kann?
Dr. Hanns Kniepkamp Bernd Socher, heute Leiter der Göttinger Kochschule und damals Student aus Witzenhausen, hat den Slowfood-Gedanken in unsere Region getragen. Vom Aussterben bedrohte Nahrungsmittel sollten ebenso gerettet werden wie die traditionelle Herstellung. Da kommen wir zur Ahlen Wurscht.
EssensArt Die ist in Nordhessen doch nicht vom Aussterben bedroht. Identifiziert sich nicht die ganze Region kulinarisch mit Ahler Wurscht und Weckewerk?
Dr. Hanns Kniepkamp Natürlich wird die Ahle Wurscht in Nordhessen nicht aussterben. Aber wenn sich die Herstellung ändert, wird der Geschmack sich verändern.
EssensArt Wieso?
Dr. Hanns Kniepkamp Eigentlich kann ein normaler Metzger gar keine ahle Wurscht herstellen. Die ist nämlich ein Produkt der Hausschlachtung. Und die gibt es immer weniger.
EssensArt Und was heißt das nun?
Dr. Hanns Kniepkamp Bei den Hausschlachtungen musste das geschlachtete Schwein (ohne Tiefkühlmöglichkeit) haltbar gemacht werden. Also machte der Hausmetzger Wurst; und zwar aus allen Teilen. Das geht im Metzgereibetrieb schon nicht, denn der will natürlich Fleisch verkaufen. Und bei der Reifung sieht es ähnlich aus. Zwei Monate statt ein Jahr – da entsteht keine Ahle Wurscht.
EssensArt Wer soll das denn verstehen, wenn es doch fast überall die Wurscht zu kaufen gibt?
Dr. Hanns Kniepkamp Gibt es eben nicht mehr. Deshalb hat das Convivium von Slowfood Nordhessen die Ahle Wurscht in die Arche des Geschmacks aufnehmen lassen. Daraufhin hat sich der Förderverein Nordhessische Ahle Wurscht gegründet. Dessen Mitglieder garantieren die traditionelle Herstellung: Warmschlachtung und Verwendung von ganzen Schweinen.
Dr. Hanns Kniepkamp
Dr. Hanns-Ernst Kniepkamp (63) ist Vorsitzender des Slowfood Conviviums Nordhessen und er gehört dem Bundesvorstand von Slowfood an. Als Chemiker bei der Firma Braun kam er 1978 nach Nordhessen, wohnt seit 1986 in Spangenberg-Schnellrode und ist „staatlich anerkannter Nebenerwerbslandwirt“, wie er sich humorvoll nennt. Auf der Slowfood Messe in Stuttgart mit 400 Ausstellern war er für die Qualitätssicherung ebenso verantwortlich wie auf der Messe SlowFisch in Bremen.
„Nordhessen geschmackvoll!“ wird wieder am 9. Oktober 2011 stattfinden.
Fotos vom letzten Nordhessen Geschmackvoll in Melsungen
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